Marktkommentar

Börsianer gelten gemeinhin als scharf kalkulierende Kaufleute, die ihre Risiken kennen. In der Realität sind sie in der Mehrzahl Optimisten, die große Wetten auf die Zukunft eingehen. Das wird immer dann deutlich, wenn an den Kapitalmärkten systemische Brüche auftreten. Das jüngste Beispiel für solch einen Verlauf konnten wir ab dem Ende der „Negativ-Zins-Politik“ der Zentralbank im November 2021 beobachten, als die hohen Erwartungen enttäuscht wurden und in kürzester Zeit eine Korrektur an den Kapitalmärkten eintrat.

Aktuell kämpfen die Kapitalmärkte wieder mit einer abrupten Veränderung – der sicher geglaubten Fortführung der Globalisierung und einer Rückbesinnung in vielen Ländern auf den Nationalismus. Nur ist es in dieser Situation nicht möglich, mit einer einfachen Renditerechnung das neue Marktgleichgewicht zu ermitteln. Auch die Wirtschaftswissenschaft tut sich mit dem global anmutenden „Sozio-ökonomischen Experiment“ schwer. Die bisher in vielen Bereichen regelgebundene Politik ließ sich leicht mit gut erforschten wissenschaftlichen Modellen erklären. Jetzt werden jedoch viele dieser Regeln gleichzeitig gebrochen. Das kommt einer Operation am offenen Herzen der Wirtschaft ziemlich nahe. Gleichzeitig ist ein Verfall guter kaufmännischer und handelspolitischer Grundsätze zu erkennen. Würden wir uns in einer akademischen Welt bewegen, wäre es höchst spannend, die Abläufe und das Ergebnis wissenschaftlich auszuwerten. In der Zwischenzeit kann jedoch realwirtschaftlicher Schaden entstehen, wenn sich die aktuelle Politik nicht umkehrt. Deshalb können sich Investoren nicht zurücklehnen und auf die Zukunft vertrauen können.

Bis das gesamtwirtschaftliche Chaos sortiert ist, ist es unerlässlich, die Kapitalmarkt- und die politischen Risiken fortlaufend zu analysieren und Investitionen besonders breit aufzustellen.